Menschen vor der Klimakrise schützen – mit einem neuen Gesetz

Der Klimaschutzexperte Svend Andersen nennt sich Treibhausgas-Buchhalter: Er befasst sich mit vielen Zahlen und Aspekten zur Treibhausgasproblematik. Bei der Vorstellung seines Buchs „Wege aus der Klimakrise“ am 08.06.2023 in der Ratsbücherei, stellt er einen sperrigen Begriff in den Raum: Treibhausgas-Intensitäts-Gesetz. Im Laufe des Abends erläutert Andersen, was damit gemeint ist und warum es Menschen schützt. Die Klimaschutzteams von Stadt und Landkreis Lüneburg hatten zu der Lesung und Diskussion eingeladen.

Üblicherweise beginnen Lesungen damit, dass ein*e Autor*in einen Abschnitt aus dem vorgestellten Buch vorliest. Svend Andersen beginnt stattdessen mit einer Frage an jede*n Einzelne*n der 60 Gäste, warum sie/er gekommen ist. Die Antworten bilden ein breites Spektrum ab. Eines haben die Antworten gemeinsam: die Sorgen der Menschen, wie wir der Klimakrise begegnen können. Mit einer Ausnahme: Ein älterer Gast gibt eine sehr kurze Antwort: „Der Klimawandel menschengemacht – Fragezeichen“.

Svend Andersen kündigt an, im Laufe des Abends auf alle von den Gästen vorgetragenen Themen einzugehen. Und liest dann doch einige Seiten aus seinem Buch vor. Ein eher nüchterner Abschnitt, in dem es darum geht, wie und wo der CO2-Anteil in der Erdatmosphäre gemessen wird, nämlich in einer Messstation auf einem Vulkan auf Hawaii, dem Mauna Loa, einem der mächtigsten Vulkane der Erde. Die Messungen, die hier seit 1958 vorgenommen werden, sind indes sehr wichtig: Denn die CO₂-Konzentration steigt seit einigen Jahrzehnten immer schneller an. Die CO₂-Konzentration wird in der Einheit ppm (parts per million) gemessen. Über Tausende von Jahren lag der Wert im 200er-Bereich, 1958 war schon die 300er-Grenze überschritten. 2016 überstieg der Wert erstmals 400 ppm und steigt seitdem immer schneller an.

Dass der Klimawandel menschengemacht ist, wurde von Andersen an diesem Abend nicht weiter ausgeführt. In seinem Buch belegt er dies aber – im Zusammenhang mit der Messstation auf dem Vulkan auf Hawaii – genauestens.

 „Bei 500 ppm ist der „point of no return“ bezüglich des Klimawandels erreicht“, erläutert Andersen. Dies bedeutet, dass das Fortschreiten der Erderhitzung sich dann nicht mehr aufhalten lässt. „Die Klimakrise tötet Menschen“, verdeutlicht Andersen und startet dann mit seinem Lösungsvorschlag, wie mit der Klimakrise umzugehen sei.

„Wir müssen schauen, was für Lösungen es schon gibt, um Menschen zu schützen“, so Andersen. Als Beispiel führt er Brandschutzgesetze an. Für viele Gegenstände gäbe es Brandschutzvorschriften. Hersteller dürfen nur zu den Brandschutzgesetzen konforme Gegenstände herstellen und vertreiben. Ebenso sei es beim Trinkwasser: es gäbe hierzu Gesetze, um unser Leben zu schützen.

„Beim Klimaschutz müssen wir es genauso machen. Strom, wie wir ihn heute nutzen, tötet Menschen. Es gibt keinen Grund, das nicht zu regeln“. Ein Treibhausgas-Intensitäts-Gesetz (THG- Intensitäts-Gesetz) sei nötig, sagt Andersen. „Deutschland wird automatisch klimaneutral, wenn der Stromverbrauch bzw. gesamte Energieverbrauch über ein solches Gesetz geregelt wird“. Das Gesetz müsse festlegen, wieviel Treibhausgase durch Strom erlaubt sind, wobei die erlaubten Treibhausgas-Mengen mit der Zeit immer kleiner werden müssen. „Es darf nur noch Strom in die Stromnetze eingespeist werden, der die erlaubte Treibhausgas-Intensität einhält“ erläutert Anders.

In Kanada gibt es solche Gesetze bereits – weil das gesellschaftliche Ideal dort anders ist. In Kanada wird weit mehr darauf geachtet, dass sozial schwächere Gesellschaftsschichten gut leben können. Als weiteren Grund, warum es in Deutschland diese Regelungen nicht gibt, nennt Anders: „Deutsche leben in einer Lobby-Bubble“. Ein THG-Intensitäts-Gesetz sei sozial gerecht und helfe gegen Lobbyismus.

Andersen empfiehlt, von der Politik ein THG-Intensitäts-Gesetz einzufordern, um die Emissionen kontinuierlich zu reduzieren. Die Industrie hätte damit einen gesetzlichen Rahmen und könne innerhalb dieses Rahmens beliebige Technologien einsetzen. Sachliche, unideologische Diskussionen würden ermöglicht. 84 % der Treibhausgase stammen aus der Energieerzeugung, erläutert Andersen. Deshalb sei ein THG-Intensitäts-Gesetz für Strom „ein klares Instrument und der größte Hebel, um der Bedrohung durch die Klimakrise gerecht zu werden“.

Wie zu Beginn der Veranstaltung gab es eine Abschlussrunde zur Frage, wie die Veranstaltung dem Publikum gefallen hat. Ein Gast fasste zusammen, was wohl einhellige Meinung war: „Es muss schnell gehandelt werden, aber weder Gesellschaft noch Politik bekommen die Kurve.“                                           

„Wenn das Gesetz in Kanada erfolgreich ist, könnte das Land weltweit zum Vorbild werden für eine wirksame, schrittweise Absenkung von CO2-Emissionen“ sagt Friederike Würth vom Klimaentscheid Lüneburg, „wir vom Klimaentscheid bleiben am Ball. Mit allen engagierten politischen und gesellschaftlichen Kräften in Lüneburg werden wir dazu beitragen, den Klimawandel zu bremsen und so die Menschen zu schützen.“

Pressemitteilung des Klimaentscheid Lüneburg vom 13. Juni 2023