„Wir leben in einer Überflussgesellschaft“ befand Ulrike Herrmann zu Beginn der Vorstellung ihres Buchs
„Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in
Zukunft leben werden“. In der Reihe „Was uns bewegt“ des Literaturbüros Lüneburg erläuterte die
Bestseller-Autorin und Wirtschaftsexpertin den etwa 200 Gästen im Glockenhaus, wie der Klimakrise
begegnet werden muss. Moderiert wurde die Veranstaltung am 26.10. von Wirtschaftsprofessorin Hannah
Trittin-Ulbrich von der Leuphana.
Umstellung auf Öko-Energie reicht nicht; Öko-Energie wird knapp und teuer bleiben
Um spätestens 2045 klimaneutral zu leben, muss die gesamte Wirtschaft auf Strom umgestellt werden,
darüber besteht Konsens. Die dafür relevanten Technologien sind Strom aus Windkraft und aus
Solaranlagen. Herrmann erklärt, Sonnen-Energie sei zwar im Überfluss vorhanden, sie müsse aber auch
„eingefangen“ und gespeichert werden. Die für den Bau von Solar- und Windkraftanlagen benötigten
Ressourcen sind aber begrenzt. Batterien und grüner Wasserstoff, die wichtigsten Technologien zur
Speicherung von Strom, seien zudem teuer. Daraus folgert Herrmann: „Die Umstellung auf Öko-Energie
reicht nicht; Öko-Energie wird knapp und teuer bleiben“.
Grünes Wachstum nicht möglich; grünes Schrumpfen ist nötig
Deshalb sei die häufig propagierte These des grünen Wachstums keine Lösung für die Klimakrise. Vielmehr
sei ein „grünes Schrumpfen“ nötig, um klimaneutral zu werden. „Schrumpfen bedeutet nicht das Ende der
Menschheit, und nicht das Ende eines guten Lebens“, so Herrmann. Wir müssten jedoch auf 30 – 50 %
unserer heutigen Wirtschaftsleistung verzichten, um Klimaneutralität zu erreichen. 50 % unserer heutigen
Wirtschaftsleistung entspricht der Wirtschaftsleistung von 1978. „Wir sind dann so reich wie 1978“,
erläutert Herrmann und erinnert daran, dass in diesem Jahr Star Wars erstmalig in den Kinos lief. „Damals
waren wir genauso glücklich. Statt für wenige Tage nach Mallorca zu jetten, ging es für 2 Wochen nach
Italien“. Zudem bliebe der technische und der medizinische Fortschritt erhalten, „das Smartphone bleibt,
und wir haben heute z.B. wesentlich bessere Krebstherapien“.
Wie kommen wir dahin
Da der Kapitalismus Wirtschaftswachstum erfordert, würde durch eine Verringerung der
Wirtschaftsleistung, also ein Schrumpfen, der Kapitalismus beendet. Ziel sei eine Öko-Kreislaufwirtschaft,
wobei Herrmann ergänzt „das ist eine Vision, aber kein Weg“. Stattdessen müsse man „vom Ende her
denken – wofür reicht Öko-Energie, wofür nicht“.
Für das Fliegen jedenfalls nicht, Öko-Kerosin sei äußerst energieaufwendig. Für Autos, auch für E-Autos,
würde die Öko-Energie ebenfalls nicht reichen, der Transport von durchschnittlich 1,3 Menschen in eine
Tonne schweren Autos, sei Energieverschwendung. Mobilität könne auch ohne Privatautos gewährleistet
werden.
Demokratische, private Planwirtschaft
Herrmann schlägt eine demokratische, private Planwirtschaft vor und orientiert sich dabei an dem Modell
der britischen Kriegswirtschaft ab 1939. Innerhalb weniger Wochen haben die Briten damals, vom
Kriegsbeginn überrascht, die Konsumgüter-Wirtschaft zurückgefahren, um verstärkt Militärgüter zu bauen.
„Das war keine Verstaatlichung; es gab lediglich Vorgaben, was produziert werden darf bzw. eine
Rationierung von Konsumgütern“. Die Briten waren zufrieden mit der Lösung, weil alle den gleichen
Beschränkungen unterworfen wurden. „In einem System der Rationierung auf dem Niveau von 1978 würde
kein Mangel herrschen“ sagt Herrmann. Sie glaubt, dass dies unsere Zukunft sein wird: „Wir leben heute in
einer Überflussgesellschaft, wir haben wesentlich mehr Dinge, als wir benötigen“. Die Klimakrise würde in
jedem Fall zu Rationierung führen. Als Beispiel führt sie den Ukraine-Krieg an, der eine Reduzierung des
Gasverbrauchs um 30% erfordert. Im Winter müsse voraussichtlich Gas rationiert werden und der Staat
entscheide dann, wer wieviel bekommt. Das sei gerechter als eine Regelung über den Preis. „Viele denken,
dass weitermachen wie bisher ein angenehmes Leben ermöglicht“, das gehe nicht, weil wir keine 3
Planeten haben. Ihr Fazit: „es gibt nur folgende Wahl: jetzt rechtzeitig friedlich aus dem Kapitalismus
aussteigen und auf eine Rationierung umsteigen – oder später, wenn die Klimakrise weiter fortschreitet,
chaotisch aussteigen“.
Bericht vom 28. Oktober 2022 vom Klimaentscheid Lüneburg